Mit einer Ausnahme deportierte der NS-Staat die jüdischen Unterfranken in den von Deutschland besetzten Ländern Osteuropas in Durchgangslager: nach Riga, in den Raum Lublin und nach Theresienstadt. Hier wurden die Menschen gesammelt, ein Teil von ihnen durch Zwangsarbeit oder miserable Lebensbedingungen umgebracht, bevor der Rest bei Massenerschießungen oder in den Vernichtungslagern ermordet wurde. Direkt in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ging ein Transport.
Überlebenschancen, wenn auch in sehr geringem Umfang, gab es nur im Raum Riga und in Theresienstadt.
Die Länder, in denen sich die Zielorte der Deportationen befanden, waren von 1941 bis 1944/45 durch das Deutsche Reich besetzt. Die Grenzziehung auf der Karte entspricht dem Stand von 1942.
Die einzelnen Lager
Riga
Herbert Mai schreibt 1946 über den Beginn seiner „Verbannung“ vor der Abfahrt im Nürnberger Lager Langwasser: „Es hieß „Alles antreten“. Wir traten an und marschierten an die Bahn. Wir waren 1000 Menschen. Wir stiegen in unseren Zug ein. Es war verboten, sich aus den Fenstern zu lehnen. Mit uns fuhren zwanzig Mann SS-Begleitung. Wir fuhren einen Tag. Es wurde Nacht (11 Uhr), es wurde 12 Uhr.
Plötzlich stieg ein SS-Mann aus und holte einen Mann aus dem Zug, nahm seine Pistole und sagte: „Was ich dir jetzt sage, machst du alles, und wenn nicht, schieß ich dich über den Haufen … Ausziehen.“ Er zog sich in der Kälte aus – minus 35 Grad – und wie er ausgezogen war, sagte der SS-Mann, er wird bestraft, weil er aus dem Fenster geschaut hat. Aber es war überhaupt nicht wahr, nur Schikane. Er schlug ihn mit einer Peitsche auf den bloßen Leib, bis er vor Schmerzen zusammenbrach, und dann schoss er ihn mit einer Kugel nieder.
Der Zug fuhr wieder weiter, Wasser hatten wir keines. Infolgedessen hatten alle sehr [großen] Durst, aber keiner fragte danach, so wollten sie es ja haben. Wir fuhren so drei Tage und drei Nächte mit Durst. Dann kamen wir in Riga an. Auf der Station Skirotava. Auch da war schon die lettische SS, mit Gewehren und Peitschen. Auch war deutsche SS als Oberaufsicht da. Dann gingen wir wie üblich mit Stockhieben aus den Waggons.“
Der erste Transport endete auf dem heruntergekommenen Gutshof Jungfernhof, einem Außenlager des Ghettos Riga. In dem besonders kalten Winter 1941/42 erfroren und verhungerten hier viele Menschen, viele weitere wurden Ende März 1942 im Wald von Bikernieki an offenen Massengräbern erschossen. 40 Würzburger blieben übrig und arbeiteten noch eine Weile auf dem Gut. Danach leisteten sie Zwangsarbeit im Raum Riga und wurden im Herbst 1944 wieder Richtung Westen gebracht. Im KZ Stutthof fanden viele den Tod, einzelne in anderen Lagern. Nur 16 Personen überlebten die Lager und die Todesmärsche (knapp 8 %), unter ihnen der 15-jährige Herbert Mai.
Raum Lublin
Zwei Transporte, darunter der in Kitzingen abgefertigte, führten in den Raum Lublin im Osten Polens. Hier funktionalisierten die NS-Besatzer kleinere Ortschaften mit hohem jüdischen Bevölkerungsanteil wie Izbica und Krasniczyn zu Ghettos um. Erst ermordeten sie die dort lebenden Juden, pferchten dann Deportierte aus verschiedenen Ländern unter primitivsten Bedingungen in die Behausungen und ließen sie Zwangsarbeit verrichten.
Die Versorgung war katastrophal und jeder kämpfte gegen jeden. Nach wenigen Wochen oder Monaten wurden die Menschen, die bis dahin überlebt hatten, in den Vernichtungslagern der Region umgebracht. Niemand aus Unterfranken kehrte von hier zurück.
Theresienstadt
Die ehemalige Festungsanlage in Theresienstadt wurde von den Nationalsozialisten vor allem zur Internierung tschechischer Juden genutzt. Hinzu kamen ältere Mitglieder der deutschen jüdischen Gemeinden. Das Lager galt wegen der hier gefangenen Kriegsveteranen, Künstler und Prominenten als Vorzugslager mit eigenem Kulturleben und gewisser jüdischer Selbstverwaltung.
Dies bestätigt 1961 auch Mordechai Ansbacher in seiner Aussage im Eichmann-Prozess. „Jeder wollte nach Theresienstadt kommen. Obwohl sie nicht genau wussten, was es war, waren sie aus irgendeinem Grund davon überzeugt, dass es besser sein würde als Orte im Osten. – Wir wollten auch bei einem Transport nach Theresienstadt dabei sein.“
Doch gerade die alten Menschen starben in Theresienstadt unter den unsäglichen Lebensbedingungen und ohne medizinische Versorgung in großer Zahl. Zugleich wurden von hier aus große Transporte nach Auschwitz und in weitere Vernichtungslager abgefertigt. Von den insgesamt 749 Juden aus Unterfranken, die nach Theresienstadt geschickt wurden, überlebten nur 44 (knapp 6 %).
Auschwitz
Lediglich einer der letzten Transporte aus Würzburg im Sommer 1943 führte direkt in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Mit ihm wurden vor allem die letzten Funktionsträger der jüdischen Gemeinden von Würzburg und Aschaffenburg deportiert. Ohne Registrierung vor Ort sind sie vermutlich direkt in die Gaskammern des großen Vernichtungslagers geschickt worden, niemand kehrte zurück. Von den 132 Menschen, die über Theresienstadt nach Auschwitz gelangten, überlebten dagegen vier.