Irene Quetting, Enkelin von Rosalie Lindeck und Großnichte von Frida Reinstein, berichtet:
„Als meine Großmutter uns schrieb, daß die Deportation nahe bevorstehe, fuhren meine Mutter und ich nach Würzburg, um Abschied zu nehmen. Es war grausig. Schon vorher hatte Tante Frieda ihre Wohnung aufgeben müssen, und nun waren die beiden alten Frauen in einer Art Sammellager untergebracht, das man in einem ehemals eleganten jüdischen Altersheim eingerichtet hatte. Es war natürlich hoffnungslos überfüllt.
Die Leute waren alle am Packen. Sie hatte Listen bekommen, worauf genau die Gegenstände verzeichnet waren, die sie mitnehmen durften. Es war wenig genug, außerdem war das Gewicht begrenzt. Da saßen sie nun vor ihren geöffneten Koffern und probierten aus: „Vielleicht ist dies hier praktischer – ach nein, vielleicht das!“ Das Einpacken und wieder Auspacken nahm überhaupt kein Ende. Eine einzige Garnitur Bettwäsche durfte jeder mitnehmen. Sie hatten sie alle dunkelblau gefärbt. „Daß man den Dreck nicht so sieht“, sagten sie mit einem traurigen Lächeln. Laut gejammert hat keiner. Ich habe diese Menschen für ihre heldenhafte Ruhe sehr bewundert.
Meine Großmutter erzählte uns, wie der Abtransport planmäßig vor sich gehen sollte. Am Abend mußten sie zum Abmarsch bereit sein. Dann sollten sie in einen Park geführt werden, wo sie bis zum Morgen bleiben sollten. Es war Herbst und die Nächte schon sehr kalt. Gegen Morgen sollten sie dann verladen werden zum Abtransport. …“ Irene Quetting und ihre Mutter begleiteten Großmutter und Großtante zum Sammelplatz. „Dort wurde noch die letzte Zigarette geraucht. Dies war außergewöhnlich, weil sie wohl vorher kaum in der Öffentlichkeit geraucht hätten.“