Als im November 1941 die Aufforderungen zur Evakuierung der ersten Gruppe von Juden ergehen, weiß niemand, was man sich darunter wirklich vorzustellen hat. Eine diffuse Angst beschleicht die Menschen, doch niemand rechnet mit dem Schlimmsten, weil man es schlicht nicht für möglich hält. Der NS-Staat tut alles, um den Deportationen einen Anschein von Legitimität zu geben und den Eindruck zu erwecken, dass die „Evakuierten“ im „Osten“ zum Arbeitseinsatz kommen.
Käthe Frieß ist gerade 20 Jahre alt, als sie mit ihrem Mann Gori nach Riga deportiert wird. Kurz nach ihrer Befreiung schreibt sie:
„Alles lag so einfach vor uns. Wir würden in Häusern wohnen, nur dass sie eben hinter Stacheldraht waren und man es Ghetto nannte. Du würdest wieder Lehrer werden, Gori, denn dazu hat man dich eigentlich nur gebeten, mit deinen vielen, lieben Schulkindern mitzugehen! Ich würde in einer Fabrik arbeiten, wir würden verdienen und so leidlich auskommen, man würde die Hitlerzeit abwarten und nachher wieder glücklich nach Hause zurückkehren. Das war doch eigentlich so schrecklich einfach und wir sahen ziemlich siegesbewusst in die Zukunft! O weh, o weh, und wie sah das Leben wirklich aus! Wir dummen, dummen Menschenkinder! Wie grausam hat sich alles gestaltet!“
Mordechai Ansbacher, mit 15 Jahren nach Theresienstadt deportiert, berichtet als Zeuge im Eichmann-Prozess 1961: „Eigentlich hatte jeder von uns starke Zweifel darüber, was wirklich im Osten war, da Leute, die dorthin geschickt wurden, im Allgemeinen keine Post schicken konnten. Wir warteten auf ein Zeichen, und niemand meldete sich. Im Gemeinderat wurden Fragen gestellt, und als Antwort wurde gesagt, dass dort „kriegswichtige Betriebe“ seien, und dies der einzige Grund sei, warum die Evakuierten nicht schreiben durften. Ihre Lage sei gut, und alles sei in Ordnung.“