Jüdische Gemeinde Bad Kissingen
344 jüdische Bürgerinnen und Bürger zählte die Kurstadt Bad Kissingen im Jahr 1933. Die ersten Kissinger Juden werden bereits 1298 als Pogromopfer erwähnt. Doch erst seit etwa 1500 ist eine kontinuierliche Ansiedlung unter dem Schutz der Herren von Erthal belegt. Die jüdische Gemeinde konnte 1705 ein Synagogengebäude errichten.
1817 registrierten die Behörden 45 jüdische Haushalte mit etwa 180 Personen, von denen viele im Viehhandel tätig waren. Bis 1880 stieg ihre Zahl auf das Doppelte. Die jüdische Bevölkerung hatte starken Anteil am Kurbetrieb der Stadt, der viele jüdische Kurgäste aus dem In- und Ausland anlockte. Auch jüdische Kureinrichtungen wurden gegründet. Seit 1839 befand sich in der Stadt ein Bezirksrabbinat.
Zwischen 1933 und dem Novemberpogrom 1938 verließen fast Dreiviertel der Kissinger Jüdinnen und Juden die Stadt, meist junge Menschen und Familien mit Kindern. Denn sehr viele von ihnen lebten von Fremdenverkehr und Kurbetrieb, die unter den NS-Wirtschaftsboykotten zusammenbrachen. Insgesamt emigrierten 123 Personen, davon die meisten in die USA (64), nach Palästina (21) sowie nach England (13). 143 Menschen suchten Zuflucht in größeren Städten in Deutschland, darunter besonders in Frankfurt a.M. (31) und in Berlin (29). 34 Gemeindemitglieder starben seit 1933 eines natürlichen Todes. So waren im Februar 1942 von der einst großen Gemeinde mit ihrem blühenden kulturellen Leben nur noch 43 Personen übrig. 23 jüdische Bürgerinnen und Bürger Bad Kissingens wurden im April 1942 über Würzburg nach Krasniczyn im besetzten Ostpolen deportiert. Die Zurückbleibenden schoben die Behörden im Mai 1942 nach Würzburg ab. Von dort wurden sie im September 1942 nach Theresienstadt deportiert.
Aus Unterfranken wurden also 43 Menschen deportiert, die 1933 in Bad Kissingen gelebt hatten. Mindestens 40 weitere ereilte das gleiche Schicksal an ihren Zufluchtsorten in Deutschland, neun in den Niederlanden und drei in Frankreich. Fünf Menschen starben aufgrund individueller Verfolgung oder als Opfer der Krankenmorde. Nur eine Frau überlebte die Deportationen. Insgesamt ist also von 99 Opfern der Shoa auszugehen, die 1933 in der Kurstadt gelebt hatten.
Das Deckenrollen-Denkmal in Bad Kissingen, das eine dortige Drechslerklasse anfertigte, erinnert an die deportierten Jüdinnen und Juden der Stadt. Eine zweite Rolle befindet sich in Würzburg und bildet zusammen mit den Gepäckstücken anderer Kommunen den “DenkOrt Deportationen 1941-1944” vor dem Hauptbahnhof. Siehe Grundinformationen zu den jüdischen Gemeinden und zum “DenkOrt”.
Die Deckenrolle in Bad Kissingen wurde in der Maxstraße 23 aufgestellt, auf dem Platz vor der früheren Synagoge.
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Quellen zu den Gemeindeartikeln