Das Projekt DenkOrt Deportationen besteht aus drei Teilen: dem „DenkOrt-Denkmal“ vor dem Hauptbahnhof, den historischen online-Informationen „DenkOrt 2.0“ und den Bildungsprojekten für junge Menschen „DenkOrte gegen den Hass – Hinaus in die Dörfer“.
Das Denkmal
Das Denkmalsprojekt ist Teil des unterfränkischen Gedenkens auf der Hauptdeportationsstrecke zwischen dem Platz’schen Garten und dem Aumühl-Ladehof in Würzburg. Hier entstand seit 2010/2011 der „Weg der Erinnerung„.
Seit 2015 befasste sich ein breites Bündnis unterfränkischer Partner unter dem Titel „DenkOrt Aumühle“ mit dem Projekt eines Erinnerungsortes am Ende dieses Weges. Dr. Josef Schuster war als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde und Christian Schuchardt als Würzburger Oberbürgermeister von Anfang an dabei. Die weiteren Beteiligten setzen sich aus der Projektgruppe „Wir wollen uns erinnern“, der Leitung des Johanna-Stahl-Zentrums, Vertretern der Stadt Würzburg, der Regierung von Unterfranken, des Bezirks und der Jugendbildungsstätte Unterfranken, einigen Heimatpflegern und dem Würzburger Bündnis für Demokratie und Zivilcourage zusammen. Der Architekt Matthias Braun erstellte einen Denkmalsentwurf für den historischen Aufgang zum ehemaligen Güterbahnhof.
Anfang 2018 hat die Projektgruppe den Verein „DenkOrt Aumühle e.V.“ gegründet, der die Trägerschaft für das Projekt übernahm.
Im weiteren Verlauf des Jahres erwies sich der geplante Standort aus statischen Gründen als ungeeignet, die Planungen mussten geändert werden. Alle Beteiligten und die Stadt Würzburg einigten sich darauf, den DenkOrt am Hauptbahnhof zu errichten, dem zweiten Deportationsbahnhof – und zwar im Übergang zwischen Bahnhofsvorplatz und Ringpark östlich des Kiliansbrunnens. Im Juli 2019 hat der Rat der Stadt Würzburg diese Lösung einstimmig angenommen und die vorgelegten Entwürfe und Planungen für das Umfeld gut geheißen.
Folgerichtig entschieden sich die Beteiligten, den „DenkOrt Aumühle“ umzubenennen in
„DenkOrt Deportationen 1941-1944 – Wir erinnern an die jüdischen NS-Opfer Unterfrankens“
Der Verein änderte seinen Namen ebenfalls in „DenkOrt Deportationen e.V.“. Anfang 2020 waren die Bauarbeiten und Vorbereitungen weit voran geschritten und am 21. April 2020 sollte der DenkOrt eröffnet werden. Dieser Termin musste jedoch aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden. Die Gepäckstücke wurden, sobald das wieder möglich war, montiert und die restlichen Arbeiten abgeschlossen (s. Aktuelles). Am 17. Juni 2020 konnte der DenkOrt mit 47 Gepäckstücken aus den Kommunen in kleinem Kreis eröffnet werden. Zur Aufstellung weiterer 32 Gepäckstücke am 24. September 2021 wurden besonders alle bislang beteiligten Kommunen eingeladen.
DenkOrt 2.0 – Der historisch-biographische Mehrwert
Jeder kennt Denkmäler, deren Kernaussage dem Betrachter verborgen bleibt, weil die nötigen Informationen dazu fehlen. Dies gilt auch für Holocaust-Mahnmale, die im besten Fall eine erschreckende Vielzahl an Namen präsentieren.
Das DenkOrt-Projekt geht einen Schritt weiter: Es erinnert informiert an das regionale Deportationsgeschehen. Dem dienen die Info-Stelen am Denkmal. Und es bezieht vor allem die Betroffenen ein: Die jüdischen Gemeinden in der Region und die in ihnen lebenden Menschen. Online kann jeder Betrachter sich kurz über die jüdische Gemeinde eines Ortes informieren, den er zufällig kennt oder aus dem er kommt. Er erfährt z.B., dass es diese Gemeinde schon seit 900 oder 400 oder 250 Jahren gab – viel länger, als er sich das vorstellte. Und er erfährt von den Menschen, die in diesem Ort 1933 wohnten, und später von dort oder aus einem anderen Ort in Unterfranken deportiert wurden – wenn er mag, alle 2 069 Opfer der unterfränkischen Deportationen.
Das Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken ist von Beginn an an den Aktivitäten der Projektgruppe „Wir wollen uns erinnern“ und am Verein „DenkOrt Deportationen e.V.“ beteiligt. Es zeichnet in besonderer Weise für die historische Beratung verantwortlich und hat alle historischen online-Angebote konzipiert und realisiert. Auch die Informationen zu den jüdischen Gemeinden und den Biographien liegen in seiner Verantwortung. Mitarbeiter:innen und Praktikant:innen des Zentrums haben sie erstellt. Erfasst werden die Informationen in der Biographischen Datenbank jüdisches Unterfranken, aus der sie auf diese Seite ausgespeist werden. Für 58 der 143 jüdischen Gemeinden und weiteren Wohnorte sind kurze historische Artikel bereits fertig, einige weitere konnten unter „Jüdische Gemeinden und Wohnorte“ eingestellt werden. Damit wurde die Serie beendet. Neue und überarbeitete Artikel finden Sie künftig auf der Seite „Jüdisches Unterfranken“.
Es geht darin um Entstehung und Entwicklung dieser Gemeinden sowie um das Schicksal der dort 1933 lebenden jüdischen Menschen. Zahlen zu den Emigrant:innen liegen meist vor, auch Angaben zu den Abgewanderten und den Deportierten. Nicht systematisch ermittelt wurde jedoch bislang das Schicksal der Menschen, die den Ort zwar verließen, später aber trotzdem von woanders deportiert wurden. Oder die Namen der Personen, die individuell (auch als Kranke) verfolgt und ermordet wurden oder aus Verzweiflung Suizid begingen. Ziel ist es, die Namen und das Schicksal aller Shoa-Opfer eines Ortes nennen zu können – auch als Grundlage für weitere lokale Forschungen. So weit möglich, finden sich Listen mit den Namen am Ende der jeweiligen Ortsartikel.
Den einfachsten Zugang zu diesen Informationen erhalten Sie hier auf dieser Seite unter „Jüdische Gemeinden und Wohnorte 1933“. Dort finden sich auch Artikel zu den Orten, von deren jüdischen Bürgerinnen und Bürgern niemand aus Unterfranken deportiert wurde. Über den historischen Ablauf des Deportationsgeschehens aus Sicht der Verfolgten informiert Sie die WebApp „Stationen“ zum Erinnerungsweg. Und die Seite „Spurensuche am DenkOrt“ vertieft und illustriert das, was am DenkOrt zu sehen ist: Fotos auf den Stelen, der Teddy zum Thema Kinder, der Gedichtkoffer.
DenkOrte gegen den Hass – Hinaus in die Dörfer
Dem Würzburger Bündnis für Demokratie und Zivilcourage e.V. war immer wichtig, dass mit dem DenkOrt-Denkmal und dem Angebot des DenkOrt 2.0 die aktive Auseinandersetzung mit den Deportationen jüdischer Bürgerinnen und Bürger angestoßen wird. Das darf auch unbequem sein und anecken, möglichst unterschiedliche Generationen sollen daran teilhaben. Und genau wie die Gepäckstück-Duplikate, die in den Kommunen in der Region stehen, soll auch die notwendige Auseinandersetzung mit dem Rassismus des verbrecherischen NS Regimes, mit Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit in den Raum der Region getragen werden.
Die heutige gesellschaftliche Polarisierung, Rassismus und Antisemitismus, der Hass auf Fremdes und die Angst vor Vielfalt zeigen die Wichtigkeit des Projekts. Die Erinnerung an die Geschichte der deportierten Menschen und an die gesellschaftliche Entwicklung, die ihre Verfolgung und Ermordung möglich gemacht hat, ist genauso wichtig wie das Denkmal.
Das Bündnis unterstützt von Anfang an das Engagement in der Projektgruppe „Wir wollen uns erinnern“ und im Verein „DenkOrt Deportationen e.V.“. Es stärkt das Anliegen, sich aktiv mit dem Rassismus auseinanderzusetzen und die Bedeutung des NS-Verfolgungsgeschehens in die Jetzt-Zeit zu tragen. Diese Auseinandersetzung reicht weit über das Ziel der Errichtung des Denkmals hinaus, ist eine dauerhafte Aufgabe. Zusammen mit der Jugendbildungsstätte Unterfranken und dem Bezirksjugendring hat das Bündnis das Projekt „DenkOrte gegen den Hass – Hinaus in die Dörfer“ konzipiert und erfolgreich beim Kulturfonds Bayern und dem Bayerischen Jugendbund eine Teilfinanzierung beantragt. Eigenmittel und weitere Spenden sind eingeflossen.